Stand: Dezember 2018

I. Worum geht es?

Die Pressefreiheit ist ein Grundrecht von allerhöchster Bedeutung. „Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die moderne Demokratie unentbehrlich“, so wiederholt es das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen. Zusammen mit der Meinungsfreiheit, die die in der Presse und in den Medien zu Wort kommenden Personen schützt, und der Informationsfreiheit, die eine ungehinderte Kenntnisnahme durch Leser, Zuschauer und Zuhörer garantiert, stellt sie einen gewichtigen Rahmen in unserer mediatisierten Welt dar. Es mag daher zunächst erstaunen, dass diese Freiheiten u.a. durch die Belange des Jugendschutzes begrenzt sind. Um dieses besondere Spannungsverhältnis zu einem interessengerechten Ausgleich zu bringen, enthält der JMStV Sonderregeln, die die Ausnahmestellung der Presse- und Medienberichterstattung widerspiegeln.

II. Was bedeutet das für die Praxis?

In der medialen Berichterstattung über Kriege, Katastrophen oder Unglücksfälle entscheiden sich Journalisten manchmal für Texte, Bilder und Töne, die nur schwer zu ertragen sind und bisweilen sogar auf Erwachsene verstörend wirken können. Solche Inhalte sind Kindern und Jugendlichen oft nur sehr eingeschränkt zumutbar, können sie erschrecken und wegen der oft noch mangelnden Fähigkeit, das Berichtete einzuordnen bzw. vom eigenen Erlebnis- und Erfahrungshorizont zu trennen, sogar schädlich für sie sein. Gleichwohl kann es in bestimmten Fällen geradezu geboten sein, eben solche drastischen Mittel zu wählen, um die Tragweite eines Ereignisses zu illustrieren. Fotos oder bewegte Bilder erhöhen zudem oftmals die Authentizität der Berichterstattung.

§ 5 Abs. 6 und 7 JMStV enthalten Ausnahmen vom Grundsatz des § 5 Abs. 1, nach dem der Anbieter entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte Sorge dafür tragen muss, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufe diese Inhalte üblicherweise nicht wahrnehmen.

So dürfen in Nachrichten und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen (sowohl im Rundfunk, als auch im Internet) entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte enthalten sein, auch wenn vom Anbieter keine Jugendschutzmaßnahmen (z.B. Beschränkung der Verbreitungszeit oder Nutzung eines technischen Mittels) ergriffen werden (§ 5 Abs. 6 JMStV). Dies ist nur dann anders, wenn an gerade dieser Art der Darstellung bzw. Berichterstattung kein berechtigtes Interesse besteht. Nach der Systematik des Gesetzes wird also zunächst vermutet, dass ein Nachrichtenbeitrag auch einen drastischen Inhalt haben darf, weil dies von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist. Nur wenn die gewählten Bilder in ihrer Intensität über das hinausgehen, was zur Verdeutlichung des Nachrichtenanliegens nötig ist, muss der Anbieter Einschränkungen hinnehmen und die Sendung beispielsweise erst am späten Abend ausstrahlen oder den Beitrag in der Mediathek mit einem technischen Mittel sichern. Bei aktuellen Geschehnissen ist eher von einem berechtigten Interesse auszugehen als bei historischen Begebenheiten. Vorsicht geboten ist bei mehrfachen Wiederholungen oder Zeitlupendarstellungen. Ein politischer Charakter braucht hingegen nicht im Vordergrund zu stehen; auch die tagesaktuelle Berichterstattung zu anderen Geschehnissen von öffentlichem Interesse ist erfasst.

Wichtige Einschränkung: Dieses besondere Privileg gilt nicht für Inhalte, die nach § 4 JMStV unzulässig sind, weil sie beispielsweise die Menschenwürde verletzen oder Gewalt verharmlosen.

Eine weitere Besonderheit gilt gem. § 5 Abs. 7 JMStV für elektronisch vertriebene Zeitungen und Zeitschriften: Um eine Ungleichbehandlung mit klassischen Presseerzeugnissen zu verhindern, sollen Maßnahmen wegen eines Verstoßes gegen den Jugendschutz erst dann möglich sein, wenn die KJM festgestellt hat, dass das Angebot entwicklungsbeeinträchtigend ist. Dieser Grundsatz der Prüfung (wenn überhaupt) nur nach Veröffentlichung ist Ausfluss des Zensurverbots aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG: Wie auch die Tageszeitung auf Papier darf ihr elektronisches Pendant veröffentlicht werden, ohne dass es jugendschutzrechtlichen Beschränkungen unterlegen wäre. Einschränkungen gelten erst dann, wenn ein Kollegialorgan der zuständigen Aufsicht einen Gesetzesverstoß bejaht hat. Eine vollständige Gleichstellung von Zeitungen aus Papier und solchen, die als Telemedium verbreitet werden, besteht damit jedoch nicht: Printmedien unterliegen (nachträglichen) Beschränkungen nämlich nur dann, wenn sie gegen Strafvorschriften verstoßen oder jugendgefährdend sind, mithin durch die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien bei der BzKJ indiziert werden könnten. Den Tatbestand der Entwicklungsbeeinträchtigung können sie hingegen gar nicht erfüllen: Ihn gibt es nur für Rundfunk und Telemedien.

Weiterführende Informationen

§ 5 Absätze 6 und 7 JMStV:
(6) Absatz 1 (Pflicht des Anbieters, die Wahrnehmung entwicklungsbeeinträchtigender Angebote für Minderjährige zu erschweren) gilt nicht für Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbare Angebote in Telemedien, es sei denn, es besteht kein berechtigtes Interesse an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung.

(7) Bei Angeboten, die Inhalte periodischer Druckerzeugnisse in Text und Bild wiedergeben, gelten die Beschränkungen des Absatzes 1 Satz 1 erst dann, wenn die KJM gegenüber dem Anbieter festgestellt hat, dass das Angebot entwicklungsbeeinträchtigend ist.

Exkurs: Pressekodex als Selbstverpflichtung

Im Pressekodex hat der Deutsche Presserat journalistisch-ethische Grundregeln zusammengestellt, an denen sich jede Berichterstattung messen lassen muss. Sie gelten auch für journalistische Beiträge in Onlinemedien. Ziffer 11 des Kodex untersagt die unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid, wenn der Mensch zum Objekt herabgewürdigt wird, z.B. weil über sein Leiden in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird. Diese Ziffer enthält ein ausdrückliches Bekenntnis zum Jugendschutz und mahnt in diesem Zusammenhang zur Zurückhaltung bei der Bebilderung von Titelseiten. Neben Leitlinien zur Berichterstattung über Gewalttaten gibt es in Ziffer 11 des Pressekodex auch Vorgaben für den Umgang mit Unglücksfällen und Katastrophen.

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