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Sexuelle Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger („Kinder- und Jugendpornografie“)
Stand: November 2023
I. Worum geht es?
Darstellungen, die den sexuellen Missbrauch Minderjähriger zeigen, werden in Deutschland laut Strafgesetzbuch als „Kinder- und Jugendpornografie“ bezeichnet. In Deutschland untersagen § 184b und § 184c Strafgesetzbuch (StGB) die Verbreitung, den Erwerb und den Besitz derartiger Schriften. Gem. § 11 Abs. 3 StGB sind Ton- und Bildträger, Datenspeicher und Ab-bildungen den Schriften gleichzusetzen.
Nach § 184b Abs. 1 Nr. 1 a) StGB gilt als Kind, wenn eine Person unter 14. Jahre alt ist; als Jugendlicher gilt, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (§ 176 Abs. 1 StGB, § 3 Abs. 1 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)).
Trotz der internationalen Ächtung des sexuellen Kindesmissbrauches gibt es in der konkreten rechtlichen Ausgestaltung länderbezogene Unterschiede. So sind virtuelle Darstellungen (z.B. Zeichnungen) und Texte, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben, in einigen Ländern nicht verboten. In Deutschland hingegen fallen derartige Inhalte unter den Tatbestand der „Kinderpornografie“. Der JMStV erwähnt virtuelle Darstellungen sogar ausdrücklich in § 4 Abs. 1 Nr. 10.
Nach einer Reform des Sexualstrafrechts im Jahr 2015 sind nunmehr auch solche Darstellungen als „kinderpornografisch“ einzustufen, wenn sie die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung enthalten (§ 184b Abs. 1 Nr. 1 b) StGB) oder wenn die Darstellung die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes zum Gegenstand hat (§ 184b Abs. 1 Nr. 1 c) StGB).
II. Was bedeutet das für die Praxis?
Die Bewertung von sexuellen Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger z.B. durch Beschwerdestellen oder Jugendschutzbeauftragte, ist in der Praxis juristisch oft schwierig.
Wann handelt es sich um pornografische Darstellungen?
In der praktischen Beurteilung ist es nicht einfach einzuschätzen, ob Pornografie vorliegt oder nicht. Auch in Fällen von „kinderpornografischen“ Darstellungen muss das Element der Pornografie schon dem Wortlaut nach zwingend vorliegen, damit die Darstellung unter den Tatbestand fällt. Eine Definition des Begriffes Pornografie gibt es in deutschen Gesetzestexten jedoch nicht. Die Gerichte definieren Pornografie zumeist als eine vergröbernde Darstellung sexuellen Verhaltens im weitesten Sinne, unter weitgehender Ausklammerung emotional-individualisierter Bezüge, die den Menschen zum bloßen, auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde macht (BGHSt 32, 40, 44ff). Nach der Strafrechtsreform verzichtete der BGH jedoch auf eine „vergröbernd-reißerische“ Darstellung und setzte damit die Anforderungen an den Begriff der Pornografie für den Bereich der sexuellen Kindesmissbrauchsdarstellungen herab. Für jugendpornografische Inhalte gilt jedoch weiterhin der ursprüngliche Pornografiebegriff.
Von Pornografie abzugrenzen sind unter anderem reine Nacktbilder (z.B. Fotos am FKK-Strand oder Akte) und – speziell bei der Beurteilung von „Kinderpornografie“ – Darstellungen in sog. unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV). Die Unnatürlichkeit der Körperhaltung liegt dann vor, wenn die Körperhaltung nicht alters- oder alltagstypisch ist. Ein reines Posieren reicht hierfür nicht aus. Die Körperhaltung ist geschlechtsbetont, wenn der Fokus auf dem Sexuellen der abgebildeten minderjährigen Person liegt. Das ist z.B. der Fall, wenn der Schambereich im Fokus des Bildes liegt. Nicht erforderlich ist dahingegen, dass die Kinder/Jugendlichen nackt sind (OLG Celle, AZ: 322 Ss 24/07 (Owi)). Daher können auch Bilder aus dem Kinder-Model-Bereich unter § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV fallen. Mit Änderung des Strafgesetzbuches 2015 sind die sog. Posendarstellungen, also Darstellungen von Kindern und Jugendlichen in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung Teil des Strafgesetzbuches geworden. Derartige Abbildungen können nun als kinder- oder jugendpornografisch klassifiziert werden. Der nach wie vor im JMStV vorhandene § 4 Abs. 1 Nr. 9 ist damit in der Praxis weitgehend bedeutungslos geworden, da die dort genannten Tatbestandsmerkmale nun in der Regel zur Verwirklichung von Kinder-und Jugendpornografie nach StGB führen.
Der juristische Unterschied der drei dargestellten Bereiche ist der folgende: Reine Nacktbilder von Kindern sind im Internet nicht verboten. Darstellungen aus dem Bereich der unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltungen (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV) sind in Telemedien dagegen absolut unzulässig (Verbreitungsverbot). Eine Zuwiderhandlung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. „Kinderpornografische“ Inhalte fallen hingegen unter das Strafgesetzbuch. Der Umgang mit ihnen kann Geld- oder Freiheitsstrafen nach sich ziehen.
Was ist Scheinminderjährigkeit?
Von Scheinminderjährigkeit spricht man, wenn abgebildete Personen tatsächlich bereits volljährig sind, allerdings auf einen objektiven Betrachter minderjährig wirken. In der Praxis handelt es sich dabei in den meisten Fällen um die Problematik von „Scheinjugendlichen“. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2008 entschieden, dass Scheinminderjährigkeit vom Tatbestand des § 184c StGB erfasst wird, wenn die abgebildeten Personen fast noch kindlich wirken und ein objektiver Betrachter eindeutig das Gefühl hat, dass es sich um Minderjährige handelt (BVerfG, Beschl. V. 6.12.2008, 2 BvR 2369/08).
Die Alterseinschätzung, besonders bei Jugendlichen, ist oft schwierig. Jugendliche entwickeln sich unterschiedlich schnell, und auf Grund eines Bildes kann meist nur grob geschätzt werden, wie alt die Person tatsächlich ist. Dies gilt besonders, wenn lediglich einzelne Körperteile zu sehen sind. Werden bewusst kindliche Klischees genutzt (z.B. kindliche Accessoires, Spielzeug, Kleidung oder Frisuren), so wird die Einschätzung noch schwieriger.
Wie verfährt die FSM-Beschwerdestelle mit „Kinder-/Jugendpornografie“?
Im Bereich der sexuellen Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen ist die Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden und internationalen Partnern wichtig. Oberstes Ziel muss es sein neben der Entfernung der Inhalte auch die Strafverfolgung der Täter und die Identifizierung der Opfer zu unterstützen. Dies muss auch über die Landesgrenzen hinweg gewährleistet sein.
Stellt die FSM-Beschwerdestelle sexuelle Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen fest und sind diese in Deutschland gehostet, so leiten sie die Inhalte zuerst an die Ansprechpartner beim Bundeskriminalamt (BKA) weiter. Das BKA wendet sich zur Löschung der Inhalte an die Verantwortlichen. Sofern Anhaltspunkte für eine Strafverfolgung bestehen (z.B. Täter erkennbar, Opfer identifizierbar), wird diese eingeleitet.
Sofern die Inhalte im Ausland gehostet sind, informiert die FSM-Beschwerdestelle zusätzlich die zuständige nationale Partnerbeschwerdestelle aus dem INHOPE-Netzwerk. Diese leitet über die jeweilige nationale Polizei das weitere Verfahren ein.
Werden nach einer gewissen Wartefrist Inhalte im In- und Ausland nicht abgeholfen, wendet sich die FSM-Beschwerdestelle im Rahmen des sog. Notice & Takedown-Verfahrens an den jeweiligen Hoster mit der Bitte um Entfernung.
Weiterführende Informationen
Was sollte man tun, wenn man im Internet auf sexuelle Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger Inhalte stößt?
Missbrauchsdarstellungen können unter www.internet-beschwerdestelle.de oder direkt auf der FSM-Beschwerdestelle anonym gemeldet werden.
Das Factsheet „DOs and DON’Ts“ von FSM, jugendschutz.net, ECO und internet-beschwerdestelle.de gibt Interessierten und Betroffenen konkrete Hilfestellungen für den Umgang mit Missbrauchsdarstellungen an die Hand. Es wurde im Rahmen des „Europäischen Tags zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt“ erstellt.
Bei emotionaler Belastung oder Unsicherheit können Sie sich z.B. an das Hilfe-Teleofon Sexueller Missbrauch oder an die Nummer gegen Kummer wenden.