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Haftung im Jugendmedienschutzrecht
Stand: April 2019
I. Worum geht es?
Trotz der grundrechtlich gewährleisteten Meinungsfreiheit dürfen nicht alle Medieninhalte ohne weiteres im Internet veröffentlicht werden. Mit einer Vielzahl von Regelungen wird sichergestellt, dass andere Grundrechte und Rechtsgüter Dritter nicht ungerechtfertigt beeinträchtigt werden. Neben strafrechtlichen und zivilrechtlichen Bestimmungen ziehen auch das Wettbewerbs- und das Urheberrecht wichtige Grenzen. Vor allem die speziellen jugendmedienschutzrechtlichen Vorschriften stellen für viele Anbieter eine Herausforderung dar, weil diese einerseits oft nicht hinreichend bekannt und andererseits recht komplex sind. Eine Besonderheit des Mediums Internet ist, dass Inhalte häufig nicht von demjenigen bereitgestellt werden, der in der Anbieterkennzeichnung (Impressum) genannt wird: Nutzer können redaktionelle Beiträge kommentieren, eigene Texte veröffentlichen oder Fotos und Videos hochladen.
Um die Haftung für Verstöße gegen den Jugendschutz geht es in diesem Text. Die Haftung aus anderen Rechtsgründen, Fragen der Störerhaftung sowie zivilrechtliche Unterlassungsansprüche werden hier nicht besprochen.
II. Was bedeutet das für die Praxis?
Die Verantwortlichkeit für Internetinhalte trifft in der Regel den Anbieter (Provider). Wer das ist, regelt § 2 S. 1 Nr. 1 des Telemediengesetzes (TMG): Diensteanbieter ist jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV greift für das Jugendmedienschutzrecht auf diesen sehr weiten Begriff zurück. Natürlich macht es für das Maß der Verantwortlichkeit und die damit verbundenen Pflichten einen gewichtigen Unterschied, ob jemand beispielsweise Server vermietet, Endkunden den Zugang zum Internet ermöglicht oder eigene, selbst produzierte Inhalte bereithält. Es gibt deshalb drei verschiedene Arten von Anbietern, für die das TMG differenzierte Haftungsregelungen bzw. Haftungsbegrenzungen enthält:
- Inhalte-Anbieter: § 7 Abs. 1 TMG
- Webspace-Anbieter (Host-Provider, Plattformbetreiber): § 10 TMG
- Zugangs-Anbieter: § 8 TMG
Wer ist Inhalte-Anbieter und wofür haftet er?
Inhalte-Anbieter (Content-Provider) ist, wer entweder selbst erstellte Inhalte verbreitet oder fremde Inhalte auswählt und diese im Internet anbietet. Dies ist der einfache und von den Haftungsfolgen her selbstverständliche Fall: Vor dem Bereitstellen von Inhalten muss der Inhalte-Anbieter stets prüfen, ob es sich vielleicht um unzulässige oder entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte handelt. Absolut unzulässige Inhalte dürfen in keinem Fall verbreitet werden; relativ unzulässige oder entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte müssen nach den Vorgaben der § 4 Abs. 2 S. 2 (geschlossene Benutzergruppe: AVS), § 5 Abs. 1 JMStV (technisches/sonstiges Mittel: z.B. Jugendschutzprogramm) gegen den Zugriff Minderjähriger geschützt werden. Missachtet der Anbieter diese Anforderungen bewusst, drohen Bußgelder oder sogar strafrechtliche Konsequenzen. Auch bei fahrlässigen Verstößen, also wenn der Anbieter die erforderliche Sorgfalt vermissen lässt und gegen das Gesetz verstößt, obwohl er es hätte besser wissen müssen oder Anlass bestand, sich fachkundigen Rat zu verschaffen, sind unter Umständen Bußgelder möglich. In jedem Fall ist der Inhalte-Anbieter bei allen Verstößen, auch bei schuldlosen, erster Ansprechpartner für die Aufsichtsbehörden: Diese können Änderungen des Angebots oder sogar das Abschalten der Website fordern – und durchsetzen.
Wann und wofür haftet der Host-Provider?
Wer anderen lediglich Speicherplatz für deren Internetdienste zur Verfügung stellt, der weiß üblicherweise nicht, welche Inhalte die Kunden auf diesem Speicherplatz bereithalten. Betreiber von sozialen Netzwerken oder Videoplattformen kontrollieren in aller Regel ebenfalls nicht, welche Inhalte von ihren Nutzern hochgeladen werden. Dazu sind sie rechtlich auch nicht verpflichtet. Sie haften allerdings dann, wenn sie von einem Rechtsverstoß, der von anderen innerhalb ihres Dienstes bzw. innerhalb ihres Einflussbereiches begangen wird, erfahren und nach Kenntnis dieses Verstoßes nicht unverzüglich tätig werden: Wird ihnen ein – für sie erkennbar – rechtswidriger Inhalt gemeldet, müssen sie so schnell es geht und ihnen zumutbar ist für Abhilfe sorgen, die betroffenen Inhalte also löschen oder sperren. Dieses System führt zu einer paradoxen Situation: Ist ein Plattformbetreiber im Sinne des Jugendschutzes sehr aktiv und prüft die Inhalte seiner Kunden oder Nutzer z.B. stichprobenartig oder sogar systematisch (z.B. im Rahmen einer Vorab-Moderation), hat er gewissermaßen „automatisch“ Kenntnis von eventuellen Rechtsverstößen und ist zur prompten Reaktion verpflichtet. Wer hingegen lediglich auf spezifische Hinweise hin aktiv wird, ist besser gestellt, denn Kenntnis und Haftung beginnen später. Dieser Umstand ist Gegenstand anhaltender Diskussionen im Jugendmedienschutz, eine Änderung der Gesetzeslage diesbezüglich ist jedoch nicht in Sicht.
Welche Haftung trifft Zugangs-Anbieter?
An der Informationsübermittlung im Internet ist oft eine Vielzahl von Unternehmen beteiligt, die Informationen Dritter ohne bewusste eigene Eingriffe durchleiten, übermitteln oder den Zugang zu ihnen ermöglichen. Diese Informationen sind für sie nur zusammenhanglose Datenpakete, weshalb mögliche Rechtsverstöße bereits technisch nicht erkennbar sind. Eine Haftung für rechtswidrige Inhalte scheidet daher in der Regel aus.
Weiterführende Informationen
Exkurs: Haftung für Hyperlinks
Wer aus seinem eigenen Internetangebot heraus auf rechtswidrige Inhalte Dritter verweist, haftet in der Regel zumindest für die erste Verlinkungsebene, da er die entsprechenden Inhalte zugänglich macht bzw. dazu beiträgt, sie zu verbreiten. Dies gilt nur dann nicht, wenn er vom Inhalt des verlinkten Angebots keine Kenntnis hatte bzw. nicht auf Grund konkreter Anhaltspunkte verpflichtet war, die unter dem Link erreichbaren Inhalte erneut in jugendmedienschutzrechtlicher Hinsicht zu überprüfen. Eine solche Prüfung hätte dabei objektiv zumutbar sein müssen und aus Sicht des Verlinkenden zur Feststellung der Rechtswidrigkeit führen können. Oft versuchen Anbieter, sich mittels pauschaler Distanzierung (Disclaimer) von jeglicher Haftung für verlinkte Angebote freizuzeichnen. Wirksam sind solche Versuche jedoch nicht. Nur ausnahmsweise kommt eine solche Distanzierung in Betracht, wenn sie im Rahmen eines redaktionell gestalteten Informations- oder Meinungsangebots konkret und ausdrücklich ist und sich auf einen individuellen Link bezieht.