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Aufsichtssystem im Jugendmedienschutz
Stand: September 2024
I. Worum geht es?
Das Jugendschutz-Aufsichtssystem in Deutschland ist nicht zuletzt wegen seiner föderalen Struktur auf den ersten Blick nicht leicht zu durchschauen:
- Gemäß einer Aufteilung zwischen dem Bund und den Ländern in Deutschland ist der Bund im Bereich des Jugendschutzes zuständig für Trägermedien (z.B. Bücher und Zeitschriften, Musik-CDs, DVDs oder Blu-ray Discs mit Spielfilmen oder Computerspielen) und regelt das im Jugendschutzgesetz (JuSchG).
- Daneben sind die Bundesländer zuständig für den Jugendschutz in den Bereichen Rundfunk (Fernsehen) und Telemedien (Internet, Teletext, Online-Spiele, Streaming). Dies haben die Länder mittels eines Rahmenvertrages, dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) geregelt.
Anhand der zuständigen Akteure und Organisationen erläutert der folgende Abschnitt die Strukturen des Aufsichtssystems nach JMStV und JuSchG.
II. Was bedeutet das für die Praxis?
1. Jugendschutz nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag
Landesmedienanstalten und Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)
Die Prüfung von Online-Inhalten sowie die Sanktionierung möglicher Verstöße obliegen der Landesmedienanstalt, in deren örtlicher Zuständigkeit der Anbieter des fraglichen Online-Angebots seinen Sitz hat. Es gibt 14 Landesmedienanstalten in Deutschland (s.u.), in der Regel eine in jedem Bundesland. Gemeinsame Landesmedienanstalten gibt es für Hamburg und Schleswig-Holstein sowie Berlin und Brandenburg. Um bundesweit einheitliche Bewertungsstandards und Rechtsansichten zu gewährleisten, trifft die zuständige Landesmedienanstalt ihre Entscheidung durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM).
jugendschutz.net
KJM und Landesmedienanstalten führen die Beobachtung von Online-Medien und die Dokumentation von Verstößen jedoch in der Regel nicht selbst durch. Sie werden dabei von jugendschutz.net unterstützt. Diese „durch die obersten Landesjugendbehörden eingerichtete gemeinsame Stelle Jugendschutz aller Länder“ wird in § 18 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) mit bestimmten eigenen Aufgaben ausgestattet, z.B. der Überprüfung von Online-Inhalten sowie „der Beratung und Schulung bei Telemedien“. jugendschutz.net betreibt im Rahmen des Safer Internet Centres Deutschland eine Beschwerdestelle, bei der Internetnutzerinnen und -nutzer problematische Inhalte melden können, führt aber auch eigene Recherchen zu bestimmten Schwerpunktthemen (z.B. politischer Extremismus, Selbstgefährdung und sexualisierte Gewalt) durch. Im Fall eines möglichen Verstoßes gegen den JMStV wenden sich jugendschutz.net oder die Landesmedienanstalten oft zunächst selbst an den Diensteanbieter und bitten um Abhilfe.
Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle und Regulierte Selbstregulierung
Einen Sonderfall stellen vermeintliche Verstöße gegen den JMStV dar, die durch ein Mitglied einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle (z.B. der FSM) verantwortet werden: Mit Ausnahme von besonders schweren Verstößen leiten jugendschutz.net, die Landesmedienanstalten oder die KJM die Angelegenheit zunächst an die Selbstkontrolle weiter, die dann ein eigenes Verfahren mit Sanktionsmöglichkeiten durchführt. Nur in Ausnahmefällen kann die KJM danach selbst eine Entscheidung treffen (§ 20 Abs. 5 JMStV). Daraus ergibt sich eine „Privilegierung“ der ordentlichen Mitglieder einer anerkannten Selbstkontrolleinrichtung, da grundsätzlich keine direkten Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden (bspw. Bußgelder) möglich sind.
Damit fungieren die anerkannten Selbstkontrolleinrichtungen im Rahmen der Regulierten Selbstregulierung als Puffer zwischen den staatlichen Behörden und den Diensteanbietern. Nur bei Überschreiten der rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums durch die anerkannte Selbstkontrolleinrichtung kann die KJM die Entscheidung der Selbstkontrolleinrichtung beanstanden (§ 19 b JMStV). Damit wird den anerkannten Selbstkontrolleinrichtungen also ein erheblicher Entscheidungsrahmen zugebilligt.
Das System der Regulierten Selbstregulierung hat sich in Deutschland als äußerst effektiv erwiesen. Die Selbstkontrolleinrichtungen agieren hierbei als Scharnier zwischen Wirtschaft und staatlichen Stellen, weil sie flexibler und schneller auf veränderte Rahmenbedingungen und neue Herausforderungen reagieren können als die Gesetzgebung. Die verschiedenen Selbstkontrolleinrichtungen ergänzen sich nahtlos und gewährleisten die Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen in verschiedenen Medienbereichen. Zu den anerkannten Selbstkontrollen nach JMStV zählen neben der FSM (für Telemedien) noch die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) (für Fernsehinhalte und fernsehähnliche Inhalte im Internet), sowie die Online-Ableger der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) – wobei die beiden letzteren die reinen Online-Angebote in ihren jeweiligen Bereichen überprüfen.
2. Jugendschutz nach dem Jugendschutzgesetz
Oberste Landesjugendbehörden (OLJB) und Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle
Nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) dürfen Filme, DVDs und Spielprogramme (Trägermedien) Kindern und Jugendlichen nur zugänglich gemacht werden, wenn sie eine Altersfreigabe der Obersten Landesjugendbehörden (OLJB) tragen. Die OLJBs haben die ihnen zustehende Kompetenz der Altersfreigabe an die nach dem JuSchG zuständigen Freiwilligen Selbstkontrollen abgegeben: Die FSK (Freiwillige Selbstkontrolle Filmwirtschaft) und USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle). Diese prüfen Filme bzw. Computerspiele und vergeben die entsprechenden gesetzlichen Alterskennzeichen gemäß § 14 JuSchG (ab 0, ab 6, ab 12, ab 16 oder ab 18 Jahre bzw. keine Jugendfreigabe).
Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ)
Nach dem JuSchG können Medien, die aufgrund ihrer Jugendgefährdung weder von der FSK noch von der USK eine Altersfreigabe erhalten haben, in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen, d.h, indiziert werden. Sie unterliegen dann bestimmten Vertriebs- und Bewerbungsbeschränkungen, so dass Minderjährige sie nicht einsehen können. Weiterhin können auch Online-Angebote indiziert werden, wobei hier die Werteentscheidungen der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) gelten. Für dieses Verfahren der Indizierung ist die Prüfstelle für jugendgefährdende Medien bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) zuständig.
Die BzKJ hat in § 24 a JuSchG die Aufgabe der Rechtsdurchsetzung für systemische Vorsorgemaßnahmen gegenüber sogenannter kleinerer Online-Plattformen erhalten. Mit dieser Vorschrift wird Artikel 28 Absatz 1 des europäischen Digital Services Act (DSA) umgesetzt, Nach Art. 14 Abs. 3 DSA ist die BzKJ auch zuständig für die Überprüfung der altersgemäßen Ausgestaltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Vermittlungsdiensten, die sich an Minderjährige richten. Dabei stellt Art. 12 Abs. 1 des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) zur Rechtsdurchsetzung des DSA in Deutschland allerdings klar, dass für die Maßnahmen nach JMStV weiterhin die nach den medienrechtlichen Bestimmungen der Länder benannten Stellen die zuständigen Behörden bleiben (s.o.). Die BzKJ hat mit Blick auf Aspekte des Jugendschutzes nach DSA im Mai 2024 die Stelle zur Durchsetzung von Kinderrechten in digitalen Diensten (KidD) eingerichtet.
Weiterführende Informationen
Die Landesmedienanstalten in Deutschland:
- Gemeinsame Geschäftsstelle: die medienanstalten
- Bayern: Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM)
- Baden-Württemberg: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK)
- Berlin und Brandenburg: Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)
- Bremen: Bremische Landesmedienanstalt (brema)
- Hamburg und Schleswig-Holstein: Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH)
- Hessen: Medienanstalt Hessen
- Mecklenburg-Vorpommern: Medienanstalt Mecklenburg-Vorpommern (MMV)
- Niedersachsen: Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM)
- Nordrhein-Westfalen: Landesanstalt für Medien NRW (LfM)
- Rheinland-Pfalz: Medienanstalt Rheinland-Pfalz
- Saarland: Landesmedienanstalt Saarland (LMS)
- Sachsen: Sächsische Landesmedienanstalt (SLM)
- Sachsen-Anhalt: Medienanstalt Sachsen-Anhalt (MSA)
- Thüringen: Thüringer Landesmedienanstalt (TLM)
Freiwillige Selbstkontrollen: