Außergerichtliche Streitbeilegung im DSA – Können wir vom NetzDG lernen?
FSM
Moderation: Torben Klausa
Torben Klausa forscht, schreibt und moderiert zu Fragen der Plattformregulierung.
Tabea Rößner studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Film- und Fernsehwissenschaft an den Unis Köln und Frankfurt am Main; 1992 bis 1994 absolvierte sie ein Aufbaustudium Journalistik und Öffentliches Recht in Mainz. 2004 verbrachte sie einen Stipendien-Aufenthalt des German Marshall Funds in den U.S.A. Sie arbeitete fast 20 Jahre lang als freie Journalistin, Redakteurin und Autorin. Seit 2009 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und aktuell Sprecherin für Netzpolitik und Verbraucherschutz ihrer Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam und Referendariat beim OLG Brandenburg, ist Josephine Ballon seit 2017 als Rechtsanwältin tätig. Seit November 2019 unterstützt sie Hate Aid als Head of Legal. Bereits im Jahr 2016 setzte sie sich während ihres Referendariats gegen Hass und Hetze bei den “Neuen Deutschen Medienmachern e.V.” im Rahmen des “No Hate Speech Movements” ein. 2020 war sie zweifach als Sachverständige im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages geladen und nahm dort zum Änderungsentwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes und dem Entwurf des Gesetzes Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität Stellung.
Jörg Wimmers, LL.M. (NYU) ist spezialisiert auf die Bereiche Internet, IT, Medien und Telekommunikation und berät TMT-Unternehmen in Transaktionen und Projekten, bei Produkteinführungen sowie der Gestaltung von Business Modellen. Zu seinen Mandanten zählen Suchmaschinen, Blogging- und Microblogging-Dienste, Access-Provider, verschiedenste Hosting-Dienste und große Internetportale.
Martin Drechsler ist Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM). Er absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und der FernUniversität Hagen. Nach dem Referendariat war er als Rechtsanwalt in Berlin tätig. Bei der FSM ist er seit 2008 zuständig für rechtliche und technische Fragen des Jugendmedienschutzes und u.a. verantwortlich für das Altersklassifizierungssystem, die Beratung der FSM-Mitglieder bei der Kennzeichnung von Webinhalten, die internationale Vernetzung sowie Vorträge über Jugendschutz und Medienrecht.
Eine europaweit einheitliche und zeitgemäße Plattformregulierung – das hat sich der Digital Services Act (DSA) zum Ziel gesetzt. Seither wird nicht nur in Fachkreisen kontrovers über das „Grundgesetz für die digitale Welt“ diskutiert.
Mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis beleuchteten wir in dieser Online-Paneldiskussion einen besonderen Aspekt des DSA: die außergerichtliche Streitbeilegung (Art. 18 DSA-E).
Nach der Idee der EU-Kommission sollen sich Nutzerinnen und Nutzer künftig auch an unabhängige Stellen wenden können, wenn sie zum Beispiel mit Löschentscheidungen der Sozialen Netzwerke nicht einverstanden sind.
Gemeinsam mit Tabea Rößner (MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Josephine Ballon (Head of Legal, HateAid), Jörg Wimmers (Rechtsanwalt, Taylor Wessing) diskutierte FSM-Geschäftsführer Martin Drechsler über Vor- und Nachteile der außergerichtlichen Streitbeilegung: Was konkret bedeutet ein solches Verfahren für die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer auf der einen und die Plattformen auf der anderen Seite? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang auch die bisherigen Erfahrungen mit den Regelungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG)? Wie würde sich damit das Verhältnis zwischen Selbstregulierung, Regulierter Selbstregulierung und Justiz verändern?
Dabei berichtete Martin Drechsler auch von den bisherigen Erfahrungen der Selbstregulierung nach dem NetzDG. Im Vergleich zu den hochwertigen Entscheidungen der unabhängigen NetzDG-Prüfausschüsse führe Art. 18 DSA-E zu neuen Unsicherheiten, nicht jedoch zu einer Stärkung der Rechtsordnung, so Drechsler. Die Entscheidungen wären unverbindlich und Rechtssuchende könnten beliebig oft zu unterschiedlichen Streitbeilegungsstellen gehen.
Auch aus Sicht von Tabea Rößner und Josephine Ballon ist bei der außergerichtlichen Streitbeilegung im DSA-E noch vieles unklar. Für Ballon sei die Intention von Art. 18 DSA-E nachvollziehbar, aber es gebe noch zu viele offene Fragen. Dazu gehöre laut Rößner auch die Unabhängigkeit, Fachkunde und Transparenz der Streitbeilegungsstellen. Eine rechtssichere Alternative seien zwar Gerichtsverfahren, jedoch würden viele Betroffene diesen Weg bislang nicht gehen, weil dieser kostenintensiv und langwierig sei, so Ballon weiter. Viele Betroffene gingen daher diesen Weg nicht. Die abschließende Klärung strittiger Rechtsfragen müsse laut Jörg Wimmers jedoch weiterhin Gerichten vorbehalten bleiben. Außergerichtliche Verfahren seine gerade für das Äußerungsrecht nicht geeignet. Um Gerichtsverfahren leichter zugänglich zu machen, wären z.B. Online-Verhandlungen denkbar.