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MIRACLE – Maschinenlesbare und interoperable Alterskennzeichen in Europa
Stand: Juli 2019
I. Worum geht es?
MIRACLE war ein von der EU-Kommission kofinanziertes Pilotprojekt im Rahmen des ICT Policy Support Programmes, in dem acht Partner aus fünf europäischen Ländern gemeinsam an neuen Möglichkeiten der technischen Alterskennzeichnung gearbeitet haben. MIRACLE ist ein Akronym und steht für Machine-readable and Interoperable Age Classification Labels in Europe, also maschinenlesbare und interoperable Alterskennzeichen in Europa.
II. Was bedeutet das für die Praxis?
In den meisten Ländern gibt es heute mehr oder weniger differenzierte Systeme zur jugendschutzrechtlichen Bewertung, Freigabe und Kennzeichnung von Medieninhalten. In den meisten Fällen sind diese Bewertungen landesspezifisch, sodass sie international kaum Relevanz haben. Die Systeme unterscheiden sich sowohl hinsichtlich möglicher Abstufungen (Welche Altersstufen stehen zur Verfügung?), als auch im Hinblick auf die klassifizierten Inhalte (Kann das System nur für Spiele, nur für Filme oder nur für Apps verwendet werden?) und die Art der Klassifizierungsinformationen (Werden Logos, Texte oder technische Kennzeichen genutzt?). Neben Informationen zu Altersstufen gibt es oft auch inhaltliche Deskriptoren, z.B. darüber, ob ein Inhalt Sex oder Gewalt enthält. Zudem werden diese Klassifizierungen auf unterschiedliche Art und Weise erstellt, möglich sind die Bewertung durch sachverständige Gremien, eine Selbstkennzeichnung oder auch die maschinelle Bewertung von Inhalten. Auch in proprietären Systemen verschiedenster Anbieter sind Klassifizierungsinformationen enthalten. Die Anzahl klassifizierter bzw. altersbewerteter Inhalte nimmt stetig zu, und über Mediatheken sind auch professionelle Medienangebote jederzeit weltweit verfügbar. Möglichst viele Klassifizierungsinformationen möglichst vielen Nutzern anbieten zu können, war das Ziel des von Februar 2014 bis Juli 2016 laufenden Projekts MIRACLE. Aufgrund der jugendmedienschutzrechtlichen Vorgaben für Anbieter in der novellierten AVMD-Richtlinie könnte das Projekt auch in Zukunft noch eine Rolle spielen.
Wer steht hinter MIRACLE?
Koordiniert wurde MIRACLE durch das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg. Die weiteren Projektpartner sind die FSM, BBFC (British Board of Film Classification, UK), NICAM (Nederlands Instituut voor de Classificatie van Audiovisuele Media, NL), PEGI (Pan European Game Information, BE), NCBI (Národní centrum be-zpečnějšího internetu, CZ), JusProg (Verein zur Förderung des Kinder- und Jugendschutzes in den Telemedien e.V., DE) und Optenet (ES). Auf diese Weise wurden nicht nur die Erfahrungen und Kompetenzen verschiedener Klassifizierungsinstitutionen und Filterhersteller gebündelt, sondern konnten zudem auch ganz unterschiedliche Szenarien des Einsatzes technischer Kennzeichen abgebildet werden.
Wie funktioniert MIRACLE?
Kern des Systems ist ein gemeinsames Datenmodell, das offen und technologieneutral gestaltet ist. Dieses Modell kann neben Altersstufen auch Inhaltedeskriptoren und weitere Informationen aufnehmen. Auf verschiedenen Wegen werden dann bereits bestehende Klassifizierungsinformationen in das neue Modell überführt und ihr praktischer Einsatz in den unterschiedlichen nationalen Kontexten konzipiert und umgesetzt. So ist für das deutschen Modell beispielsweise vorgesehen, dass die bereits recht verbreitete Kennzeichnung mit dem Standard age-de beibehalten werden kann, diese Informationen aber in das neue Modell übersetzt und somit auch außerhalb Deutschlands verwendet bzw. technisch interpretiert werden können. Filterprogrammhersteller werden im Gegenzug daran arbeiten, die im MIRACLE-Datenmodell vorliegenden Informationen auch in deutschen Jugendschutzprogrammen abbilden zu können. Die Systeme werden so untereinander verstehbar, d.h. interoperabel.
Welchen Vorteil bringt MIRACLE?
Die verbesserte Interoperabilität elektronischer Alterskennzeichen soll dabei helfen, das bestehende Klassifikationswissen zu nutzen und vorhandene Klassifizierungsdaten weiter zu verbreiten. MIRACLE bringt Synergien für Inhalteanbieter und Softwarehersteller und ermöglicht neue, innovative Dienste auf dem Gebiet der Bereitstellung von Klassifizierungsdaten. Anbieter konvergenter Endgeräte (Smartphones, Tablets, Smart-TVs etc.) können die aus unterschiedlichen Systemen übermittelten Altersdaten in einfacher Art und Weise für die Verarbeitung in Jugendschutzinstrumenten ihrer Geräte und Plattformen nutzen. Anbieter grenzüberschreitender Angebote haben die Möglichkeit, in ihren Angeboten nationale Besonderheiten abzubilden und potentiell gesetzliche Anforderungen in mehreren Mitgliedsstaaten zu erfüllen. Bestehende Kennzeichnungen können beibehalten und in das neue Modell überführt („gemappt“) werden, da MIRACLE kein neues Klassifizierungssystem darstellt. MIRACLE führt lediglich die Möglichkeit ein, bestehende Systeme miteinander die gleiche Sprache sprechen zu lassen. Länder, die bisher keine technischen Alterskennzeichen verwenden, können sich schließlich am MIRACLE-Datenmodell orientieren und brauchen keine weitere nationale Insellösung zu entwickeln.
Was bedeutet MIRACLE für Eltern und andere Erziehende?
Eltern und andere Erziehende, die ein Jugendschutzprogramm nutzen, müssen wegen MIRACLE keine Umstellungen vornehmen. Jugendschutzprogramme werden perspektivisch neben den Klassifizierungsinformationen deutscher Websites (age-de.xml) auch Informationen ausländischer Websites verwerten können, so dass internationale Inhalte noch besser und entsprechend der elterlichen Vorgaben je nach Alter des Kindes gefiltert werden.
Können ausländische Altersstufen durch MIRACLE in das bekannte deutsche Schema übersetzt werden?
Die Bewertung von Inhalten anhand von Altersstufen hängt stets von nationalen Besonderheiten und gesellschaftlichen Wertevorstellungen ab. Daraus ergibt sich, dass diese Beurteilung international unterschiedlich ausfallen kann. MIRACLE erleichtert die technische Umrechnung und kann die Basis für die Vergleichbarkeit internationaler Bewertungen sein. Eine echte Übersetzung, d.h. eine Übertragung von Jugendschutzinformationen anhand kultureller Eigenheiten von einem Land zum anderen, kann dann Gegenstand späterer Projekte sein.