As of: September 2019

I. Worum geht es?

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist ein am 1. Oktober 2017 in Kraft getretenes Gesetz zur verbesserten Rechtsdurchsetzung in den sozialen Medien. Ziel ist es, Hasskriminalität und andere objektiv strafbare Inhalte, welche nicht mehr von der Meinungsfreiheit umfasst sind und daher für das friedliche Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft große Gefahren bergen, unverzüglich zu entfernen (Vgl. BT-Drs. 18/12727, S. 1.). Dabei werden Anbieter von sozialen Netzwerken ab einer im NetzDG festgelegten Größenordnung verstärkt in die Verantwortung genommen, indem sie zu einer zügigen Bearbeitung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte verpflichtet werden und hierüber halbjährlich öffentlich Bericht erstatten müssen. Zudem sieht das Gesetz die Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten sowie einen Auskunftsanspruch über Bestandsdaten für Opfer von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz vor. Die Wirksamkeit der Maßnahmen soll durch die Androhung hoher Bußgelder von bis zu 50 Mio. Euro sichergestellt werden.

Nach den bisherigen Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Praxis und Fachkreisen sowie aufgrund geänderter Vorgaben in der europäischen Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL) trat 2021 trat das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) in Kraft. Durch die Neuerungen im NetzDG werden vor allen Dingen die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer gestärkt. Dies soll insbesondere durch einfachere Meldewege, die Möglichkeit zur Überprüfung von Entscheidungen (sog. Gegenvorstellungsverfahren, § 3b NetzDG) und der Klarstellung der Zuständigkeit des Zustellungsbevollmächtigten (§ 5 Abs.1 NetzDG) erreicht werden. Daneben wurde die Pflicht zu aussagekräftigeren Transparenzberichten und eine sog. Forschungsklausel eingeführt.

II. Was bedeutet das für die Praxis?

Anwendungsbereich, § 1 NetzDG

Die Regelungen des NetzDG gelten für Anbieter sozialer Netzwerke, also Online-Plattformen, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (§ 1 Abs. 1 S. 1 NetzDG). Dabei werden nicht alle sozialen Netzwerke erfasst, sondern nur die reichweitenstarken, die im Inland zwei Millionen oder mehr registrierte Nutzer haben. Ausgenommen sind außerdem Dienste, die in eigener Verantwortung journalistisch-redaktionelle Inhalte anbieten, also beispielsweise Online-Tageszeitungen oder journalistische Blogs. Daneben sind aber auch Dienste zur Individualkommunikation, z.B. Messenger, oder Dienste, die spezifische Inhalte anbieten, vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.

Berichtspflichten, § 2 NetzDG

Erhalten Anbieter entsprechender sozialer Netzwerke mehr als 100 Beschwerden über rechtswidrige Inhalte in einem Kalenderjahr, so sind sie verpflichtet halbjährlich Transparenzberichte zu veröffentlichen. Ziel ist es zum einen, Transparenz für die Öffentlichkeit herzustellen, zum anderen aber auch eine wirksame Gesetzesfolgenabschätzung zu gewährleisten (Vgl. BT-Drs. 18/12356, S. 20.). Die Transparenzberichte sind im Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Homepage einen Monat nach Ende eines Halbjahres zu veröffentlichen. In den Transparenzberichten müssen gemäß § 2 Abs. 2 NetzDG im Wesentlichen Informationen hinsichtlich des Beschwerdemanagements öffentlich bereitgestellt werden. So muss den Transparenzberichten unter anderem die Anzahl der im Berichtszeitraum eingegangenen Beschwerden, aber auch derjenigen Beschwerden, die letztlich zu einer Löschung oder Sperrung des jeweiligen Inhalts geführt haben, entnommen werden können.

Beschwerdemanagement, § 3 NetzDG

Anbieter sozialer Netzwerke im Sinne des NetzDG müssen ein wirksames und transparentes Verfahren über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte im Sinne des § 1 Abs. 3 NetzDG vorhalten. Gemäß § 1 Abs. 3 NetzDG sind solche Inhalte rechtswidrig, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129-129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185-187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind. Grundvoraussetzung für das Beschwerdemanagement ist zunächst, dass Nutzer Beschwerden melden können. Plattformbetreiber müssen weiterhin im Einklang mit der Haftungsprivilegierung nach dem Telemediengesetz nur dann tätig werden, wenn sie Kenntnis über rechtswidrige Inhalte haben. Um dies zu gewährleisten, werden die Plattformanbieter verpflichtet, ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden, mit welchem es Nutzern einfach möglich ist o.g. Inhalte zu melden, bereitzuhalten. Darüber hinaus müssen Anbieter sicherstellen, dass sie unverzüglich von der Meldung über rechtswidrige Inhalte Kenntnis nehmen und diese auf ihre Rechtswidrigkeit hin prüfen. Stellt der Anbieter nach einer ersten Sichtung fest, dass der gemeldete Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist, so muss er den Inhalt innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernen oder den Zugang zu diesem sperren. Handelt es sich hingegen um einen rechtswidrigen Inhalt, dessen Rechtswidrigkeit jedoch nicht unmittelbar erkennbar und somit nicht offensichtlich ist, so muss der Inhalt unverzüglich, also innerhalb von sieben Tagen, entfernt oder der Zugang zu diesem gesperrt werden. Die Frist von sieben Tagen kann unter den in § 3 Abs. 2 Nr. 3 HS. 2 NetzDG genannten Voraussetzungen überschritten werden. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn die Rechtswidrigkeit eines Inhaltes von weiteren tatsächlichen Umständen abhängt und dadurch z.B. dem Nutzer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden soll, was das Verfahren in die Länge ziehen kann. Zum anderen haben die sozialen Netzwerke die Möglichkeit die Frist zu verlängern, wenn sie die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Inhaltes an eine anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung übertragen und sich deren Entscheidung unterwerfen.

Mit der Änderung des NetzDG wurde nun auch ein sog. Gegenvorstellungsverfahren eingeführt. Damit sind die sozialen Netzwerke künftig verpflichtet, ein wirksames und transparentes Verfahren bereitzustellen, mit dem betroffene Nutzer eine Überprüfung der Entscheidung über Löschung oder Beibehaltung eines Inhalts herbeiführen können.

Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung

Im Jugendmedienschutz sind die Selbstkontrolleinrichtungen (siehe Aufsichtssystem im Jugendmedienschutz) seit vielen Jahren etabliert und anerkannt. Das NetzDG sieht hier ein ähnliches System vor. Anbieter sozialer Netzwerke sollen demnach die Möglichkeit haben bei schwierigeren Fällen ein externes Gremium zu konsultieren, welches über die Rechtswidrigkeit des gemeldeten Inhaltes entscheidet. Entscheiden sich die Anbieter für eine derartige Auslagerung der Entscheidung, so sind sie auch an diese gebunden und müssen sodann die entsprechenden Maßnahmen ergreifen. Die Auslagerung kann jedoch nur an anerkannte Einrichtungen der Regulierten Selbstregulierung erfolgen. Unter welchen Voraussetzungen die Aufsicht, hier das Bundesamt für Justiz, eine solche Einrichtung anerkennt, wird in § 3 Abs. 6 NetzDG festgelegt. Unter anderem muss die Unabhängigkeit der Prüfer, eine Verfahrensordnung sowie eine sachgemäße Ausstattung der Prüfer und zügige Prüfung innerhalb von sieben Tagen gewährleistet werden.

Als erste und bislang einzige Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung nach dem NetzDG wurde die FSM am 13. Januar 2020 vom Bundesamt für Justiz anerkannt.

Bußgeldvorschriften

Das NetzDG sieht in § 4 diverse Bußgeldtatbestände vor. Bußgeldbewährt ist zum einen das nicht richtige, nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Erstellen eines Transparenzberichtes sowie eine fehlende Benennung und/oder Reaktion des inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Die übrigen Bußgeldtatbestände beziehen sich auf systematische Fehler im Beschwerdemanagement, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 NetzDG. Bezugspunkt hierbei ist immer das Verfahren selbst und nicht der Umgang mit einer einzelnen Beschwerde oder die Bewertung einzelner Inhalte hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit, sodass nur eine systematische Missachtung der Löschungsverpflichtungen zu einem Bußgeld führen kann.

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