As of: November 2023

I. Worum geht es?

1. JMStV-Tatbestand

Posendarstellungen Minderjähriger zählen bereits seit Inkrafttreten des JMStV am 1. April 2003 zu den absolut unzulässigen Inhalten. Seitdem dürfen Inhalte, die „Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung“ zeigen, weder Minderjährigen noch Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Im Medienrecht erkannte man damals die Notwendigkeit derartige nicht pornographische Darstellungen zu unterbinden, weil sie die sexuellen Fantasien Erwachsener anregen und Kinder als Sexualobjekte darstellen. Aus Sicht des Jugendschutzes sah man die Gefahr, dass Minderjährigen durch Posendarstellungen ein falsches Bild dessen vermittelt wird, was als normal anzusehen ist und wo die Grenzen ihrer Intimsphäre berührt sind.

2. StGB-Tatbestand

Auf europäischer Ebene gefordert durch die sog. Lanzarote Konvention und national beschleunigt durch die Edathy-Affäre, hat die Formulierung der „unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung“ am 27. Januar 2015 auch Einzug in das Strafgesetzbuch erhalten (§ 184b Abs. 1 Nr. 1 b, § 184c Abs. 1 Nr. 1 b StGB). Bis dahin stellte das vorsätzliche oder fahrlässige Verbreiten von Posendarstellungen, die noch nicht den Grad einer sexuellen Handlung erreichten, eine reine Ordnungswidrigkeit dar (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 i) JMStV).

II. Was bedeutet das für die Praxis?

1. Wann liegen rechtswidrige Posendarstellungen vor?

JMStV und StGB gemeinsam ist das Merkmal der „unnatürlich geschlechtsbetonten Körperhaltung“. Geschlechtsbetont ist die Körperhaltung, wenn die durch sie geschaffenen sexuellen Akzente die Darstellung beherrschen. Allein die Körperhaltung eines Minderjährigen kann bereits sexualbezogen sein, z.B. indem die primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale durch das Spreizen der Beine, das Herausstrecken des Pos oder der Brust in den Fokus der Darstellung gerückt werden. Zusätzlichen Einfluss können Gestik und Mimik haben, etwa wenn bei einer Aufnahme von hinten die Hände leicht auf dem Po abgelegt werden, das Ausziehen des Shirts oder Slips angedeutet wird, oder ein lasziver Gesichtsausdruck die Sexualität unterstreicht. Es kann allerdings auch Darstellungen mit Betonung auf dem Geschlecht geben, bei denen die Sexualität nicht im Vordergrund steht. Darstellungen Minderjähriger mit Betonung auf dem Geschlecht erhalten dann einen verfänglichen Charakter, wenn sie unnatürlich sind, wenn es sich also um alters- oder alltagsuntypische Körperhaltungen handelt.

Weicht die eingenommene Position von denen für das Alter des Kindes sonst typischen Körperhaltungen ab und ist nach dem jeweiligen Stand der Entwicklungsreife von Minderjährigen üblicherweise schambesetzt, handelt es sich um altersuntypische Körperhaltungen. Einfache Oben-ohne- oder Nacktdarstellungen im Freibad erzeugen bei Kindern natürlicherweise noch keine Scham, können aber bei Jugendlichen unnatürlich sein, da sie im Rahmen ihres sexuellen Reifeprozesses bereits Schamgefühl entwickelt haben und sich nicht mehr vor jedem so freizügig zeigen würden. Es ist z.B. eine natürliche Körperhaltung von Babys auf dem Rücken zu liegen und die Füße in den Mund zu nehmen oder in Richtung Kopf zu strecken. Für ältere Minderjährige ist diese Position hingegen altersuntypisch. Umgekehrt kann selbstdarstellendes Posieren in der Phase des Heranwachsens von Jugendlichen zu jungen Erwachsenen geradezu alterstypisch sein, während dies bei jüngeren Kindern vollkommen unnatürlich ist.

Alltagsuntypische Körperhaltungen liegen vor, wenn ihnen ein sonst anhaftender Sozialbezug fehlt, der dem abgebildeten Geschehen seine Natürlichkeit verleiht. Klassisches Beispiel ist ein Baby, dessen herausgereckter Po in einer Windelwerbung natürlich ist, weil die Pose erkennbar in eine Handlung des Alltages eingebettet ist. Auch Wettkampfaufnahmen minderjähriger Gymnastikschülerinnen oder Karnevalsbilder eines minderjährigen Tanzmariechens sind an sich natürlich, während bei ähnlichen Aufnahmen in einem Studio das Alltagsgefüge fehlen kann.

Relevant für die Bewertung ist die Darstellung in ihrer Gesamtgestalt unter Berücksichtigung der verschiedenen für Kinder oder Jugendliche ungewöhnlichen Begleitumstände, Situationen oder Umgebungen. Der sexuelle Kontext kann durch sexuell aufreizende Kleidung (z.B. Reizwäsche, Lack- und Leder) oder Accessoires (Peitsche, Dildo), übermäßige Schminke oder eine inszenierte Kulisse (z.B. auf dem Bett, im Studio) hergestellt oder verstärkt werden.

Sowohl StGB als auch JMStV umfassen die sogenannte „Scheinminderjährigkeit“, d.h. es sind auch Aufnahmen eigentlich erwachsener Personen unzulässig und strafbar, die für einen objektiven Betrachter zweifelsohne minderjährig anmuten (siehe BVerfG Beschluss vom 06.12.2008 – 2 BvR 2369/08). Ebenso rechtswidrig und strafrechtlich relevant sind virtuelle Posendarstellungen, wie Comics oder Mangas.

2. Besonderheiten des StGB

Im Unterschied zum JMStV verlangt die neue StGB-Vorschrift, dass es sich um Darstellungen ganz oder teilweise unbekleideter Minderjähriger handelt. Relevant ist, inwieweit die primären oder sekundären Geschlechtsmerkmale ganz oder teilweise unbekleidet sind. Teilweise unbekleidet sind z.B. Minderjährige in String-Tangas, knapper bzw. transparenter Reizwäsche oder mit entblößten Brust. Der Straftatbestand ist gegenüber dem JMStV, der auch Darstellungen komplett bekleideter Minderjähriger einschließt, enger gefasst.

3. Haftung

Die Haftung für Anbieter richtet sich nach dem TMG. Hoster etwa haften gemäß § 10 TMG ab Kenntnis für die Verbreitung von Posendarstellungen.

Weiterführende Informationen

Was sollte man tun, wenn man im Internet auf Posendarstellungen Minderjähriger stößt?

Posendarstellungen Minderjähriger können unter www.internet-beschwerdestelle.de oder direkt bei der FSM-Beschwerdestelle anonym gemeldet werden.

Weiterführende Literatur und Erläuterungen
  • § 4 Abs. 1 Nr. 9 JMStV:
    Unbeschadet strafrechtlicher Verantwortlichkeit sind Angebote unzulässig, wenn sie Kinder oder Jugendliche in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung darstellen.
  • § 184b/c Abs. 1 Nr. 1 b StGB:
    „Mit (…) wird bestraft, wer eine kinderpornographische/jugendpornografische Schrift verbreitet oder öffentlich zugänglich macht. Kinderpornografisch/Jugendpornografisch ist eine pornografische Schrift, wenn sie die Wiedergabe eines/einer ganz oder teilweise unbekleideten Kindes/vierzehn aber noch nicht 18 Jahre alten Person in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung zum Gegenstand hat.”
  • Entscheidungen des FSM-Beschwerdeausschusses zu Posendarstellungen
  • Kinder und Jugendliche als Sexualobjekte im Internet, Günter/Köhler, TV Diskurs 1/2006, Heft 35, S. 74-79
  • Fischer, StGB-Kommentar, 63. Auflage 2016, § 184b Rn. 6-9.
  • Liesching, JMStV-Kommentar, 5. Auflage 2011, § 4 Rn. 31-40.