As of: Juni 2019

I. Worum geht es?

Der JMStV unterscheidet in den §§ 4 und 5 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) zwischen drei verschiedenen Kategorien von Inhalten: absolut unzulässige, relativ unzulässige und entwicklungsbeeinträchtigende Angebote. Dabei erfüllt eine erhebliche Zahl von Medieninhalten zwar nicht die strengen Verbotsvoraussetzungen des § 4 JMStV, vermag aber gleichwohl die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unterhalb einer bestimmten Altersstufe zu beeinträchtigen. Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte dürfen gemäß § 5 JMStV nur unter Einschränkungen verbreitet und zugänglich gemacht werden.

II. Was bedeutet das für die Praxis?

Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte

Gemäß § 5 Abs. 1 JMStV ist ein Angebot als entwicklungsbeeinträchtigend einzustufen, wenn es geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Der JMStV sieht demzufolge ein bestimmtes Ziel der Entwicklung – mithin ein bestimmtes Menschenbild – vor, das durch die ordnungsgemäße Entwicklung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen verwirklicht werden soll. Die Vorschrift selbst nennt die Begriffe der „Gemeinschaftsfähigkeit“ und „Eigenverantwortlichkeit“, die als wertneutrale Eigenschaften jedoch keinen materiellen oder inhaltlichen Maßstab für die Medienbewertung bilden können. Ein Rückgriff auf die im höherrangigen Recht formulierten Werte, insbesondere die Grundrechte sowie auf die Kriterien Angst, Gewalt, sozialethische Desorientierung, Sex und Sprache, erleichtern deshalb die Bewertung eines Angebots. Unter Heranziehung dieser Kriterien kann anhand der im JMStV festgelegten Altersstufen von 6, 12, 16 und 18 Jahren bestimmt werden, ob ein Angebot als für die betroffene Altersstufe entwicklungsbeeinträchtigend anzusehen ist.

So dürfen Inhalte mit einer Altersfreigabe ab 6 Jahren beispielsweise Darstellungen von Gewalt nur zurückhaltend, irreal und ohne Details enthalten. Nacktheit ist hier zwar kein Tabu, dennoch sollte Sexualität, sexualthematische Inhalte, sexuelle Anspielungen oder Anzüglichkeiten nicht den Gesamtcharakter des Beitrags bestimmen. Potenziell desorientierende Inhalte, die antisoziales, selbstgefährdendes sowie selbstverletzendes Verhalten wiedergeben, sind kindgerecht aufzuarbeiten und sollten insbesondere keine Vorbildwirkung entfalten.

Inhalte, die für ein Publikum ab 16 Jahren freigegeben werden, dürfen hingegen bereits drastische Darstellungen von Gewalt wiedergeben. Diese sind jedoch in einen narrativen Kontext einzubetten, damit sie distanziert wahrgenommen werden können. Bei der Thematisierung und Darstellung von Sexualität ist grundsätzlich davon auszugehen, dass 16-Jährige über erste eigene sexuelle Beziehungserfahrungen verfügen. Demzufolge dürfen Angebote in Einzelfällen erotische Inhalte enthalten, sofern die dort gezeigten Sexszenen den Akzent auf Zwischenmenschlichkeit und Zärtlichkeit legen und auch der emotionalen Ebene der Sexualität Raum geben. Eine Darstellung antisozialer Verhaltensweisen ist gestattet, sofern diese nicht ungebrochen jugendaffin und attraktiv dargestellt werden. Beispiele für im Einzelnen als entwicklungsbeeinträchtigend bewertete Angebote finden Sie in den Entscheidungen des FSM-Beschwerdeausschusses.

Pflichten für Anbieter

Wird ein Angebot als entwicklungsbeeinträchtigend qualifiziert, hat der Anbieter gemäß § 5 Abs. 1 JMStV dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufe die Inhalte üblicherweise nicht wahrnehmen. Der JMStV stellt für Anbieter entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte demzufolge die Verpflichtung auf, Vorkehrungen zu treffen, die eine Wahrnehmung des Angebots für Minderjährige, für die der Inhalt nicht geeignet ist, erschwert bzw. ausschließt. Dieser gesetzlichen Pflicht genügt der Anbieter durch Verwendung eines der im JMStV im Detail nicht abschließend geregelten Instrumente. Diese reichen vom Einsatz eines technischen oder sonstigen Mittels über zeitliche Verbreitungsbeschränkungen bis hin zu einer rein „räumlichen“ Trennung des Angebots von für Kinder gedachten Inhalten.

Als spezielles technisches Mittel zur Erfüllung der Anbieterpflicht nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 JMStV besteht die Möglichkeit der Kennzeichnung der Inhalte für ein als geeignet anerkanntes Jugendschutzprogramm. Jugendschutzprogramme sind nutzerseitig eingerichtete Programme, die auf dem Endgerät des Nutzers, von dem aus der Zugang zu den Onlineinhalten erfolgt, den Zugang zu bzw. die Anzeige von bestimmten jugendschutzrelevanten Inhalten für bestimmte Altersgruppen unterbinden. Neben diesem gesetzlich vorgesehenen Spezialfall können auch andere technische oder sonstige Mittel, die die Wahrnehmung durch Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich machen oder wesentlich erschweren, den Anforderungen genügen. Als rechtskonform wurde bisher zum Beispiel der sog. Perso-Check, aber auch die im Rahmen der Schutzmaßnahmen bei Erwachseneninhalten zur Anwendung kommende face-to-face Kontrolle angesehen.

Alternativ zu dem Einsatz technischer oder sonstiger Mittel genügt der Anbieter den Anforderungen des § 5 Abs. 1 JMStV auch, wenn er gem. § 5 Abs. 3 Nr. 2 JMStV eine zeitliche Verbreitungsbeschränkung für den entsprechenden Inhalt vorsieht. Dies ist v.a. im Fernsehen üblich. § 5 Abs. 4 JMStV gibt ausdrücklich die je nach Eignung für unterschiedliche Altersstufen abgestuften Zeitgrenzen vor.

In den Jugendschutzrichtlinien der Landesmedienanstalten (JuSchRiL) ist zudem geregelt, dass Inhalte ab 12 Jahren jedenfalls zwischen 20 und 6 Uhr verbreitet werden dürfen. Vor allem für das Fernsehen gibt es hiervon jedoch oft Ausnahmen, die eine Ausstrahlung von Sendungen ab 12 Jahren auch tagsüber erlauben.

Die vorgesehenen Verbreitungszeiten gelten für die gesamte Dauer des Angebots, nicht nur für die jeweils entwicklungsbeeinträchtigenden Darstellungen. Dabei dürfen Teile eines Videos oder Films, aber auch Beginn und Ende einer Online-Spiel-Session diese Grenzen nicht überschreiten.

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