Stand: April 2019

I. Worum geht es?

Die rechtliche Einordnung erotischer Inhalte in Telemedien gestaltet sich aufgrund der Vielzahl und Komplexität gesetzlicher Vorschriften oftmals schwierig. Sofern es sich um sog. „harte Pornografie“ handelt, besteht ein umfassendes Verbreitungsverbot nach § 4 Abs. 1 Nr. 10 JMStV. Die Regelung knüpft an unterschiedliche strafrechtliche Kriterien der §§ 184 a, b und c StGB an und bezieht sich auf textliche, bildgebende sowie virtuelle Kinder-, Jugend und Tierpornografie. Zudem besteht ebenfalls ein umfassendes Verbreitungsverbot nach § 4 Abs. 1 Nr. 9 für das Posing Minderjähriger. Bezüglich zulässiger erotischer Inhalte herrscht bei den Anbietern oft Unsicherheit darüber, unter welchen Voraussetzungen diese in den Telemedien verbreitet werden dürfen. Insbesondere stellt sich die Frage, für welche Altersstufe Bilder oder Videos freigegeben werden können.

Hier muss zwischen folgenden Vorschriften differenziert werden:

  • § 4 Abs. 2 Nr. 1 JMStV (§ 184 StGB): pornografische Inhalte
  • § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV: offensichtlich schwer entwicklungsgefährdende Inhalte
  • § 5 Abs. 1 JMStV: entwicklungsbeeinträchtigend für bestimmte Altersstufen

II. Was bedeutet das für die Praxis?

Grundsätzlich ist bei erotischen Inhalten zu beachten, dass sie wie oben beschrieben die Grenze zur Strafbarkeit nicht überschreiten. Ist dies nicht der Fall, können sie in der Regel unter Einhaltung der folgenden rechtlichen Voraussetzungen angeboten werden. Letztendlich sind die Inhalte aber so verschieden, dass es auch bei dieser Beurteilung einer Einzelfallabwägung bedarf.

Wann ist ein Altersverifikationssystem (AVS) erforderlich?

Wenn erotische Angebote nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 JMStV pornografisch oder nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 JMStV offensichtlich schwer entwicklungsgefährdend sind, muss der Anbieter über ein AVS sicherstellen, dass lediglich volljährige Nutzer Zugang zu diesen Inhalten erhalten (siehe auch Altersverifikationssysteme).

  1. Pornografie
    Hierunter fallen Nahaufnahmen von Geschlechtsorganen, Darstellungen von Fisting, Selbstbefriedigung, aber auch die Darstellung von Samenerguss oder sexuell anreißerisch aufbereitetem Geschlechtsverkehr, dann auch ohne die explizite Darstellung der Genitalien. Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien sind derartige Inhalte immer dann als pornografisch zu beurteilen, wenn eine vergröbernde Darstellung sexuellen Verhaltens unter Ausklammerung emotional-individualisierter Bezüge vorliegt, die den Mensch zum bloßen auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde macht (BGH 37, 55, 60).
  2. Entwicklungsgefährdung
    Besonders außergewöhnliche sexuelle Praktiken, die noch nicht die Grenze zur Pornografie überschreiten, können offensichtlich schwer entwicklungsgefährdend sein. Aufgrund der verrohenden, bedrohlichen, diskriminierenden Elemente wurde dies bereits für gestellte Vergewaltigungen, Selbstdrosselung, extreme Fetisch-, Bondage-, und Sado-Maso-Darstellungen, Fäkalerotik und Inzest bejaht. Weiter sind auch Darstellungen entwicklungsgefährdend, die Aufforderungen zu Prostitution oder Autoaggression, extremen Sexismus, rassistische Äußerungen oder sexuelle Diskriminierungen von Minderheiten enthalten. Maßstab für die Beurteilung ist hier die Gefahr, Minderjährige in ihrer Entwicklung nachhaltig psychisch zu destabilisieren oder sozialethisch zu desorientieren. Eine sozialethische Desorientierung liegt dabei vor, wenn zu befürchten ist, der Minderjährige könne diese außergewöhnlichen sexuellen Praktiken als vollkommen normal in seine Werte- und Normvorstellungen übernehmen.

Wann genügt eine Maßnahme nach § 5 Abs. 3 JMStV (z.B. technische Kennzeichnung entsprechend der Altersklassifizierung)?

Handelt es sich nicht um Pornografie oder Entwicklungsgefährdung (dann AVS erforderlich), aber sind die erotischen Inhalte dazu geeignet Minderjährige in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen (§ 5 Abs. 1 JMStV) müssen die Inhalte durch den Anbieter einer Altersstufe zugeordnet werden. Daraus leiten sich dann die rechtlichen Verpflichtungen ab. Relevant sind hier vor allem die Altersstufen 16 und 18. Eine der Altersklassifizierung entsprechende Maßnahme nach § 5 Abs. 3 JMStV gewährleistet, dass Personen der betroffenen Altersstufe die Inhalte üblicherweise nicht wahrnehmen, indem sie den Zugang unmöglich macht oder wesentlich erschwert (siehe auch Altersklassifizierung und Alterskennzeichnung sowie Gesetzliche Einstufung von Medieninhalten).

Mit der Altersstufe 18 zu klassifizieren sind z.B. moderate Bondage-, Fetisch-, Oral- und Selbstbefriedigungsdarstellungen, Spanking-Websites, aber auch Darstellungen von wahllosem Partnerwechsel, extremer Frauenfeindlichkeit oder überholter Rollenklischees. Dabei muss die Darstellung jeweils unter der oben beschriebenen Pornografiegrenze liegen. Ein Label mit der Altersstufe 16 ist regelmäßig erforderlich bei leichten Bondage-Darstellungen (z.B. lediglich Handschellen), bei neutraler Darstellung der Genitalien, Geschlechtsverkehr ohne Darstellung der Genitalien, Darstellung nackter Männer ohne Erektion oder nackter Personen in lasziver Körperhaltung. Allgemein sind Inhalte also als entwicklungsbeeinträchtigend zu bewerten, die geeignet sind Heranwachsende zu überfordern, zu verunsichern, zu ängstigen oder ihnen eine Übernahme problematischer sexueller Handlungsweisen, Einstellungen und Rollenbilder nahe legen. Hierbei handelt es sich um eine weniger intensive Beeinflussung als bei der Entwicklungsgefährdung. Die Wirkungen sind nicht nachhaltig und können mit relativ geringem Aufwand wie Trost oder Erklärungen aufgehoben werden.

Unter www.altersklassifizierung.de kann mit Hilfe eines Fragebogens ermittelt werden, wie nichtpornografische erotische Inhalte einzustufen sind.

Wann sind erotische Inhalte unbeschränkt zulässig?

Aktfotografien, Bilder von Frauen in Reizwäsche, FKK-Bilder und lediglich angedeutetes/verdecktes Liebesspiel, sind in der Regel unproblematisch. Auch eine maßvolle Darstellung sexueller Handlungen zu Aufklärungszwecken ist unbeschränkt zulässig. Hierbei muss jedoch deutlich sein, dass vorgenannter Zweck erfüllt werden soll und die Darstellungen nicht der sexuellen Befriedigung dienen.

Können erotische Kunstwerke im Zugang beschränkt werden?

Erotische Kunstwerke können nach den Umständen des Einzelfalls aus Jugendschutzgründen durch alle Maßnahmen auf Grundlage des JMStV in ihrem Zugang beschränkt werden. Dabei hat zunächst eine Gewichtung der betroffenen Belange der Kunstfreiheit und des Jugendschutzes stattzufinden, die dann gegeneinander abzuwägen sind. Je stärker danach die vermutete Beeinträchtigung durch das Angebot ist, bspw. bei einer literarischen detaillierten Schilderung sexueller Handlungen, desto stärker wiegt der Jugendschutzaspekt, was eine Beschränkung des Zugangs für bestimmte Benutzergruppen eher rechtfertigt (Vgl. BVerfGE 33, 130 ff.).§